Der künstliche Hafen von Arromanches-les-Bains

Von , letzte Aktualisierung am 08.05.2022 um 16:53 Uhr

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Am D-Day landeten die Alliierten an den Stränden der Normandie. Ihnen war jedoch klar, dass sie so schnell wie möglich eigene Häfen bräuchten, um den Nachschub zu sichern. Da geeignete Häfen aber fest in der Hand der Nazis waren, bauten sich die Alliierten in Arromanches-les-Bains "mal eben" einen eigenen Hafen.

Künstlicher Hafen von Arromanches-les-Bains
Künstlicher Hafen von Arromanches-les-Bains - © Copyright: philipimage - Can Stock Photo, Bild wurde nachbearbeitet.

Als im Morgengrauen des 6.6.1944 der D-Day anlief, startete die größte Militäroperation der Geschichte, die Operation Overlord. Nur, wie sichert man den benötigten Nachschub an Soldaten, Fahrzeugen und Material? Hierfür brauchte es einen Hafen  –  oder besser noch  –  mehrere Häfen.

In der Normandie gab es bereits zwei große Häfen, die gut geeignet dafür waren eine Vielzahl an Schiffen zu entladen: Der eine war der Hafen von Cherbourg, der andere war der Hafen von Le Havre, der heute übrigens der zweitgrößte Seehafen Frankreichs ist.

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Die gescheiterte Militäroperation der Alliierten: Operation Jubilee

Allerdings waren beide Häfen fest in der Hand der Nazis und die Nazis waren sehr gut in der Verteidigung ihrer Anlagen.

Dies hatten die Alliierten 1942 bereits sehr schmerzhaft erfahren müssen. Im Rahmen der "Operation Jubilee" hatten die Alliierten versucht die Stadt Dieppe im Nordosten der Normandie einzunehmen. Die Operation endete jedoch  –  aus Sicht der Alliierten  –  in einer Katastrophe: Es starben 1179 alliierte Soldaten und ca. 2190 gerieten in deutsche Gefangenschaft (Quelle: Wikipedia.de). Schlussendlich musste die Operation abgebrochen werden.

Wie kamen die Alliierten an eigene Häfen?

Deshalb war allen Strategen und Planern der Operation Overlord klar, dass man eigene Häfen bauen musste.

Die Planungen sahen vor zwei künstliche Häfen in der Normandie zu errichten. Sie trugen die Codenamen "Mulberry A" und "Mulberry B". Mulberry ist englisch und bedeutet soviel wie Maulbeere.

Die Sache mit den Maulbeeren: Mulberry A und Mulbery B

MULBERRY A befand sich am Omaha Beach bei Vierville-sur-Mer und wurde von den Amerikanern errichtet. MULBERRY B befand sich am Gold Beach bei Arromanches und wurde von den Briten und Kanadiern errichtet.

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Wie baut man schnell zwei künstliche Häfen?

Einen Hafen zu errichten, ist schon in Friedenszeiten kein Unterfangen, was man mal eben auf die Schnelle macht. Man muss Spundwände ins Erdreich rammen, eine Mole als Wellenbrecher bauen, das Hafenbecken und Fahrrinne entsprechend tief genug ausbaggern und die Pieranlagen befestigen.

Aber wie baut man in Windeseile einen Hafen, wenn man sich mitten im 2. Weltkrieg gegen die Deutschen befindet? So, wie man heute Hallen und Gebäude baut: Mit Beton-Fertigteilen!

Hinzu kam noch eine Idee, die Winston Churchill, Premierminister von Großbritannien, höchstpersönlich hatte. Offenbar aus Frust über die mangelnden Fortschritte bei der Planung des Hafenproblems, verfasste Churchill am 30. Mai 1942 an seinen Admiral, Louis Mountbatten, ein Memo mit der Überschrift "Piers for Use on Beaches" (Piers zur Verwendung an Stränden)

Er skizzierte darin gedanklich, wie ein künstlicher Hafen funktionieren sollte: "They must float up and down with the tide. The anchor problem must be mastered. Let me have the best solution worked out. Don’t argue the matter. The difficulties will argue for themselves."

Frei übersetzt heißt es so viel wie: "Sie [Anmerkung der Redaktion: Die Piers] müssen mit der Flut auf und ab schwimmen. Das Ankerproblem muss gemeistert werden. Lassen Sie uns die beste ausgearbeitete Lösung haben. Diskutieren Sie die Sache nicht. Die Schwierigkeiten werden für sich sprechen."

YouTube-Video: "Reconstitution en images de synthèse du port d'Arromanches en 1944"

Das Ergebnis der Planungen war eine bemerkenswerte Ingenieursleistung: Den Bau zweier Häfen mit großer Wassertiefe. Hierzu wurden zunächst alte Handelsschiffe als künstliche Wellenbrecher vor dem Hafen im Meer versenkt. Dann – etwa eine Meile vom Strand entfernt – versenkte man in 9 Meter Wassertiefe die Senkkästen aus Beton, Phoenix-Senkkästen oder auch Phoenix-Wellenbrecher genannt, und verband sie miteinander wie ein "u" zu einen Halbkreis.

Hinzu kamen Pontons, die mit Ankern auf dem Meeresgrund gesichert waren und die komplett beweglich waren. Sie bewegten sich mit dem Wellengang auf und ab und wurden mit Metallstraßen zu Piers verbunden. Insgesamt gab es 3 Piers, die von den Stegen bis zum Strand führten.

Wir haben weiter oben ein YouTube-Video eingebunden. Es ist ein Ausschnitt aus der französischsprachigen Dokumentation "D-day, ils ont inventé le débarquement", die 2014 erschien. Auch wer kein Französisch versteht, erhält in diesem knapp 5-minütigen Video einen guten, ersten Überlick. In einer sehr gut gemachten Computeranimation wird der künstliche Hafen von Arromanches-les-bains zur damaligen Zeit gezeigt. Wer Interesse an der gesamten Dokumentation hat, kann hier die DVD bei Amazon kaufen * (* = Werbung).

Wie lange brauchten die Alliierten, um die Mulberry-Häfen zu bauen?

Nicht lange. Da alle Teile bereits vor dem D-Day in England gefertigt worden waren, mussten sie "nur noch" transportiert und zusammengebaut werden.

Luftaufnahme von 1944 der Pieranlagen von Mulberry B (Arromanches-les-Bains)
Luftaufnahme von 1944 der Pieranlagen von Mulberry B (Arromanches-les-Bains), Werkstitel: An aerial view of the pierhead and breakwater at the artificial 'Mulberry B Harbour' at Arromanches (Goosberry 3). - © Copyright: Royal Air Force official photographer, photograph C 4626 from the collections of the Imperial War Museums., Lizenz: gemeinfrei (public domain), Bild wurde nachbearbeitet.

Arromanches-les-Bains wurde noch am Abend des D-Day, also dem 6. Juni 1944, befreit. Die Pontons und schwimmenden Senkkästen, die bis zu 6000 Tonnen wogen, wurden mit Schiffen über den Ärmelkanal geschleppt und dann in Arromanches-les-Bains zusammengebaut. Am 7. Juni kamen bereits die ersten Schiffe hierfür an. Bereits am 14. Juni konnten die ersten Schiffe im künstlichen Hafen von Arromanches-les-Bains entladen werden und der Nachschub mit Truppen und Material konnte anlaufen. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Nach 7 Tagen Bauzeit wurden der Mulberry-Hafen in Arromanches bereits genutzt und erste Schiffe wurden entladen.

Am Omaha Beach fiel der Widerstand der deutschen Truppen deutlich heftiger aus. Dennoch konnte auch hier am 7. Juni mit dem Bau begonnen wurden. Ein schwerer Sturm, der am 19. Juni begann und bis zum 22. Juni 1944 über die Küsten der Normandie hinwegfegte, zerstörte den künstlichen Hafen am Omaha Beach ("Mulberry A") fast vollständig, da er noch nicht entsprechend den Vorgaben gesichert war. Die Amerikaner entschieden sich dafür Mulberry A aufzugeben und die nicht zerstörten Teile für "Mulberry B" in Arromanches zu verwenden.

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Port Winston wurde ein Erfolg für die Alliierten

Der künstliche Hafen von Arromanches-les-Bains wird in der Literatur auch als "Port Winston" bezeichnet. Als Anspielung auf Winston Churchill, der ja mit seinen Rohgedanken entscheidenden Einfluss daran hatte, dass in Arromanches ein künstlicher Hafen errichtet werden konnte.

Blick auf den Ort Arromanches-les-Bains mit den Resten des künstlichen Hafens (Mulberry B)
Blick auf den Ort Arromanches-les-Bains mit den Resten des künstlichen Hafens (Mulberry B) - © Copyright: mountaintreks - Can Stock Photo, Bild wurde nachbearbeitet.

Andere genutzte Bezeichnungen sind Port Arromanches oder – wie bereits geschrieben – Mulberry B oder Mulberry-Hafen. Die französische Formulierung "Port artificiel d'Arromanches" heißt übersetzt nicht anderes als künstlicher Hafen von Arromanches.

Wie auch immer er bezeichnet wird, der Hafen von Arromanches war ein Riesenerfolg für die Alliierten: In den 8 Monaten seiner Nutzung gingen über den künstlichen Hafen von Arromanches-les-Bains 2,5 Millionen Soldaten, 500.000 Fahrzeuge und 4 Millionen Tonnen Ausrüstung an Land. Danach nahm der Hafen, der Teil der Landungszone Gold Beach war, an Bedeutung ab, da man mittlerweile über die Häfen von Port-en-Bessin, Cherbourg und Le Havre verfügte.

Heute sind sich Historiker sicher, dass der D-Day ohne "Mulberry B" nicht erfolgreich gewesen wäre, da die Versorgung der Truppen ins Stocken geraten wäre. Wer hätte wohl damals gedacht, dass hinter dem harmlos klingenden Namen "Maulbeere" eine so gewaltige planerische und logistische Leistung steckte?

Die Überreste des künstlichen Hafens

Teile des Hafens wurden abgebaut. 4 der Phoenix-Wellenbrecher wurden in die Niederlande geschleppt, um nach der Flutkatastrophe von 1953 eine Lücke im Deich bei Ouwerkerk zu schließen. Der Rest ist allerdings noch vorhanden und kann bestaunt werden.

Ponton 449 des Mulberry Hafen B in Arromanches
Ponton 449 des Mulberry Hafen B in Arromanches, Werkstitel: Spud-Pier-Ponton 449 des Mulberry Hafen B, im Hintergrund Cap Manvieux; Arromanches, Normandie, Frankreich - © Copyright: Chriusha (Хрюша), Lizenz: CC BY-SA 3.0, Bild wurde nachbearbeitet.

Heute kommen bei Ebbe in Arromanches-les-Bains die Senkkästen zum Vorschein. Ebenso sind vereinzelt noch Pontons zu besichtigen. Beides zieht bei Ebbe Fotografen und Touristen an. Der künstliche Hafen von Arromanches bzw. die Überreste davon sind quasi die Hauptsehenswürdigkeit des Ortes.

Natürlich gibt es in der Normandie durchaus einige Relikte des D-Day und des 2. Weltkriegs zu bestaunen, der künstliche Hafen von Arromanches-les-Bains ist aber auf jeden Fall eine der Sehenswürdigkeiten in der Normandie, die man unbedingt gesehen haben sollte.

Im Artikel über Arromanches-les-Bains gehen wir mehr auf den Ort und seine Lage ein. Außerdem berichten wir über das sehenswerte Museum in Arromanches (Musée du Débarquement) und die anderen Sehenswürdigkeiten des Ortes. Dort haben wir auch eine Website verlinkt, die die kommenden Ebbe- und Flutzeiten von Arromanches-les-Bains veröffentlicht.

Stürme, Gezeiten und Brandung zerstören nach und nach den künstlichen Hafen

Mittlerweile sind seit dem D-Day mehr als 75 Jahre vergangen und Stürme, Gezeiten und Brandung haben deutliche Spuren an den Betonblöcken hinterlassen. Man sieht an abgebrochenen Betonteilen leider sehr gut, wie der Zahn der Zeit daran genagt hat. Insofern werden die Reste des Hafens irgendwann verschwunden sein. Wer also schon immer mal den künstlichen Hafen von Arromanches-les-Bains besichtigen wollte, sollte das Vorhaben nicht auf irgendwann einmal setzen.

Hotelempfehlungen

Um das Umland von Bayeux und Caen zu entdecken oder auf den Spuren des D-Day zu wandeln, ist Arromanches-les-Bains ein guter Ausgangspunkt. Hier kommen 3 Hotelempfehlungen unterschiedlicher Preisklassen:

  • Hôtel de Normandie in Arromanches *
    Preislich günstig und direkt am Meer gelegen
     
  • Les Villas d'Arromanches, Les Collectionneurs *
    In einem Steingebäude aus dem 19. Jahrhundert befindet sich das kleine Hotel. Es besticht mit einem wunderschönen Garten, einem Pool und ruhiger Lage. Dabei ist es nur 200 Meter von den D-Day-Stränden entfernt.
     
  • DDay Aviators Le Manoir *
    Preislich teurer, aber dafür sehr liebevoll und luxuriös ausgestattet ist diese Unterkunft. Sie ist lediglich 100 Meter vom Strand von Arromanches-les-Bains entfernt.
     

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